EXPERTENINTERVIEW EXPERTENTELEFON \"Sportunfälle\" am 15.09.2011

Experteninterview zum Thema "Unfall und Berufsunfähigkeit" im Bereich Sportunfälle

Interview mit Frau Dr. Susanne Punsmann, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Versicherungsrecht, Düsseldorf. Betreiberin der Website www.versicherungsnehmerrecht.de

 

 

 

 

 

 

 

Welche Ansprüche auf Schadenersatz haben Fußballer, wenn sie von einem Gegenspieler gefoult werden und sich dabei schwer verletzen? Gibt es dabei Unterschiede zwischen Vereinsfußballern und Hobbysportlern?

  • Dr. Susanne Punsmann: Grundsätzlich gilt zwischen Teilnehmern eines Sportwettkampfs, also auch eines Fußballspiels, ein stillschweigender Haftungsverzicht, da man sich bewusst einer erhöhten Verletzungsgefahr aussetzt. Dieser stillschweigende Haftungsverzicht hat allerdings Grenzen, etwa wenn einer der Beteiligten grob gegen die Regeln oder grob gegen die sportliche Fairness verstößt. Die Regeln – in diesem Fall des Deutschen Fußballbundes - gelten für Profisportler, aber auch für Hobbysportler, egal ob es sich um Erwachsene oder Kinder und Jugendliche handelt.

Hobbyradfahrer sind häufig in Gruppen unterwegs. Was passiert versicherungstechnisch, wenn ein Radler den anderen bei einem Spurwechsel zu Fall bringt und letzterer schwere Verletzungen erleidet?

  • Dr. Susanne Punsmann: Derjenige, der stürzt und schwere Verletzungen erleidet, kann Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche gegen den Radler geltend machen, der ihn bei dem Spurwechsel zu Fall gebracht hat – vorausgesetzt, der "Spurwechsler" hat schuldhaft, also vorsätzlich oder fahrlässig, gehandelt. Das ist etwa dann der Fall, wenn er es versäumt hat, sich vor dem Spurwechsel zu vergewissern, dass der Weg frei ist. Hat der Spurwechsler fahrlässig, also ohne Absicht, gehandelt, übernimmt im Regelfall seine Haftpflichtversicherung den Schadensersatz und das Schmerzensgeld.

Was sind nach Ihrer Erfahrung die häufigsten Rechtsstreitigkeiten bei Mannschaftssportarten?

  • Dr. Susanne Punsmann: Im Verhältnis zu den zahlreichen Fouls und daraus resultierenden Verletzungen – etwa beim Fußball – ist die Anzahl der Gerichtsverfahren, die sich mit Schadensersatz- und Schmerzensgeldforderungen beschäftigen, sehr gering. Wenn es zu einem solchen Prozess kommt, fällt immer wieder der Nachweis schwer, dass ein grober Regelverstoß in Form eines rohen Spiels vorliegt.

Sportvereine schließen für ihre Mitglieder so genannte Gruppenversicherungen ab, beispielsweise in der Unfallversicherung. Ist dieser Schutz nach Ihrer Meinung ausreichend?

  • Dr. Susanne Punsmann: Die Unfallversicherung über den Verein ist im Regelfall nicht so umfangreich wie die, die man im Rahmen einer privaten Vorsorge abschließt. So fällt häufig die Invaliditätsleistung zu gering aus oder es wird nur ab einem bestimmten Invaliditätsgrad eine Leistung ausbezahlt. Zudem zahlt die Unfallversicherung über den Verein in den meisten Vertragskonstellationen nur für die Unfälle, die sich tatsächlich beim Sport oder auf dem Weg zum Training ereignet haben, nicht aber beim privaten Jogging oder bei einem Unfall im Hause. Daher würde ich immer noch parallel eine weitere Unfallversicherung empfehlen.

Wie sollte man sich nach einem Skiunfall verhalten, wenn die Schuldfrage unklar ist?

  • Dr. Susanne Punsmann: Hier gelten die FIS-Regeln, also die Regeln des Internationalen Skiverbandes. Dort ist beispielsweise geregelt, dass der von hinten kommende Skifahrer seine Fahrspur so zu wählen hat, dass der vor ihm Fahrende nicht gefährdet wird. Dabei muss der von hinten kommende Skifahrer immer berücksichtigen, dass der vor ihm Fahrende seine Fahrspur jederzeit beliebig wechseln kann. Zeugen können im Falle eines Falles sehr hilfreich sein.

Wer trägt nach einem Skiunfall, an dem ein Dritter Schuld hatte, die Kosten der Behandlung und die Kosten der Bergung?

  • Dr. Susanne Punsmann: Die Kosten der Behandlung trägt zunächst die eigene Krankenkasse oder -versicherung. Diese kann sich jedoch die gezahlten Arzt- und Krankenhausrechnungen von dem Verursacher bzw. von dessen Haftpflichtversicherer zurückholen. Die Kosten der Bergung trägt ebenfalls der Verursacher. Ist dieser nicht auffindbar, bleibt der Gestürzte allerdings auf den Bergungskosten sitzen, wenn er keine Unfallversicherung oder Auslandsreisekrankenversicherung hat. Aber Vorsicht: Oft reicht die vereinbarte Versicherungsleistung nicht, um tatsächlich eine Bergung zu bezahlen.

Was ist zu beachten, wenn der Sportunfall im Ausland stattgefunden hat und einer der Beteiligten ebenfalls ein Ausländer ist?

  • Dr. Susanne Punsmann: Es gelten andere Regeln und diese sind schwerer durchzusetzen. Denn es richtet sich im Regelfall nach dem Recht in dem betreffenden Ausland, ob Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld bestehen. Es empfiehlt sich - möglicherweise über einen Anwalt aus der Heimat - auch einen Anwalt am Ort des Geschehens zu beauftragen. Auf diese Weise werden die Kosten der Durchsetzung der eigenen Rechte natürlich oft höher. Hier kann dann eine Rechtsschutzversicherung hilfreich sein.

Worauf müssen Freizeitsportler, die eine Risikosportart ausüben, beim Abschluss ihrer Versicherungen besonders achten?

  • Dr. Susanne Punsmann: Unverzichtbar ist sicherlich eine Haftpflichtversicherung, die den Freizeitsportler vor den finanziellen Schäden schützt, die er versehentlich anderen zufügt. Positiv zu bewerten ist auch eine Forderungsausfalldeckung. In diesem Fall springt die eigene Haftpflichtversicherung ein, wenn der Verursacher den Schaden nicht ersetzen und kein Schmerzensgeld zahlen kann.

    Darüber hinaus sollte eine Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen werden, damit auch der Lebensunterhalt gesichert ist, wenn man durch einen schweren Unfall die Arbeitsfähigkeit verliert. Auch eine Unfallversicherung kann Sinn machen. Der Schutz ist zwar nicht so weitreichend wie bei der Berufsunfähigkeitsversicherung, dafür aber deutlich günstiger.

Dürfen Arbeitgeber aus Angst vor Unfällen ihren Mitarbeitern die Ausübung riskanter Sportarten verbieten?

  • Dr. Susanne Punsmann: Arbeitgeber können ihren Mitarbeitern im Regelfall nicht die Ausübung riskanter Sportarten verbieten, da der Schutz der Privatsphäre des Mitarbeiters fast immer höher wiegt als das Interesse des Arbeitgebers an einer entsprechenden Verhaltensregel.

Was passiert, wenn der Chef seine Mitarbeiter zu einem Skiwochenende einlädt und einer der Angestellten dabei einen schweren Unfall erleidet? Zahlt dann die gesetzliche Unfallversicherung, weil es ein "Arbeitsunfall" war?

  • Dr. Susanne Punsmann: Es kommt darauf an, ob das Skiwochenende eine Betriebsveranstaltung war, ob der Arbeitgeber also die Reise veranlasst oder angeordnet hat. Hat der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern nur ein kostengünstiges Angebot zum Skifahren am Wochenende unterbreiten wollen, wäre es keine Betriebsveranstaltung und damit auch kein Arbeitsunfall.
Quelle: deutsche journalisten dienste (djd),